Das erste Mal im Domina-Studio

Vor knapp 3 Jahren stand ich mit zitternden Knien das erste Mal vor der Tür eines Dominastudios, blickte auf die Uhr und wartete darauf, dass die Minutenanzeige umsprang. Nervös, aufgeregt was mich wohl hinter der Tür erwarten würde. Die Uhr sprang um, ich fasste mir ein Herz und klingelte.

Wie kam es dazu?

Ich bin Anfang vierzig, männlich, alleinstehend. Ich wohne irgendwo in Deutschland, bin beschäftigt in einem Industrieunternehmen und lebe mit einer körperlichen Einschränkung, welche sich in nachlassender Muskelkraft äußert. Ich kann noch gehen, allerdings keine Treppen steigen.

Es ist etwas mehr als 3 Jahre her, dass mir das Thema BDSM unterkam. Ich merkte, dass es mir gefiel gebissen zu werden. Es gab mir etwas ohne dass ich es genau definieren konnte. Ich entdeckte Podcasts über BDSM, informierte mich, die Faszination wuchs und beschäftigte mich. Je mehr ich las, hörte und sah, um so größer wurde der Wunsch, dies alles erleben zu wollen. Mit jemandem.

Sexarbeit war nicht neu für mich. Ich hatte bereits Erfahrungen in FKK Clubs gesammelt, aber ein Dominastudio? Das war etwas anderes. Irgendwie mysteriös. Wie läuft das ab? Werde ich zusammengebrüllt von Damen mit dem wüsten Vokabular eines Fuhrkutschers?

Wochenlang durchstöberte ich das Internet. Erotikportale, Studiowebsites und Homepages von Dominas, Social Media-Auftritte. Im besten Fall barrierefrei sollte es sein. Wer sprach mich an? Was genau suchte ich überhaupt?

Viele Fragen und kaum Antworten. Zum Thema Barrierefreiheit finden sich nicht zu jedem Studio Informationen. Ich fand eine Dame, die mich ansprach. Ich machte mir ein Bild über sie, schaute auf ihre Website, die Homepage der Studios in denen sie arbeitete und suchte nach Berichten und Informationen in Foren. Sie machte einen sympathischen Eindruck, gleichzeitig düster und gefährlich. Verruchter Look, präsentierte sie sich in Leder und Latex. Verführerische Blicke auf den Fotos ließen den Wunsch immer stärker werden sie zu treffen. Trotzdem hat es ewig gedauert bis ich mich traute sie zu kontaktieren.

Eine erste WhatsApp-Nachricht, in der ich mich kurz vorstellte und fragte ob ich kurz anrufen dürfte um offenen Fragen zu klären. Ich erstarrte zu Stein als auf meinem Handy die Antwort aufblinkte…

Wir telefonierten ein/zwei Tage später, sie bestätige mir dass das Studio barrierefrei zu erreichen war, körperliche Einschränkungen wären kein Problem, wir sprachen sachlich über offene Fragen und den zu entrichtenden Tribut.

Ich zögerte noch, ging ein paar Tage in mich, überlegte und überlegte und überlegte. Schließlich fragte ich endlich einen Termin an, bekam ihn bestätigt und leistete eine Anzahlung. Und wartete…

Zwischen Terminvereinbarung und der ersten Session lagen 5 Wochen… Mehr als genug Zeit alles zu überdenken, zu zittern und gleichzeitig Vorfreude aufzubauen.

Endlos zogen sich die Tage hin. Der Termin rückte immer näher. Spannung baute sich auf und Fantasien bahnten sich ihren Weg. Es gibt immer wieder Momente, die mich zögerlich zurück ließen. Wollte ich das wirklich?

Schließlich war der Tag gekommen. Um 15:00 sollte es soweit sein. Morgens um 9:30 bekam ich eine Nachricht:

„Wirst Du heute pünktlich sein?“

Gehörte das schon zum Spiel? (Interaktion im BDSM-Bereich wird üblicherweise
als „spielen“ bezeichnet)

„Guten Morgen, Mistress … ! Ja, ich werde pünktlich sein.“

Es folgte die Vorbereitung am Tag der Session. Ein ordentliches Essen, nicht zu wenig, nicht zu viel. Eine ausgiebige Dusche und gründliche Körperpflege. Es soll etwas besonderes werden, ein Erlebnis. Zu einem Date oder einer Feier geht man auch nicht verkatert, miefend und in Jogginghose.

Die Vorbereitung ist etwas, das sich in den letzten Jahren wenig geändert hat.

Es ist ein runterkommen, Gedanken sammeln, sich zurecht machen, frisieren, mental auf dieses besondere Ereignis einstellen. Das Treffen als einen Höhepunkt des Tages (oder vielleicht der Woche, des Monats…) wahrnehmen und wertschätzen.

Um die Frage „Was machen wir?“ oder „Was stellst Du Dir vor?“ drehten sich meine Gedanken ebenfalls. Ich hatte viel über BDSM gelesen, mich informiert. Natürlich hatte ich Ideen und Fantasien, allerdings wusste ich natürlich noch nicht was mir gefällt. Auf der Website des Studios entdeckte ich einen Neigungsbogen zum Ausfüllen. Eine Liste mit Techniken, Vorstellungen, Wünschen zum Ankreuzen und (ganz wichtig) Tabus. Eine Möglichkeit sich auszudrücken, gerade für Anfänger nicht schlecht.

Ich setzte ein paar Kreuze bei Sachen die ich mir gut vorstellen konnte, viele Fragezeichen bei Themen die interessant klangen, bei denen ich aber keine Ahnung hatte wie sie mir in der Realität gefallen würden. Und ich führte einige Tabus auf.

Diese werden vorab geklärt und betreffen Techniken und Verhaltensweise die man ausschließt und auf keinen Fall erleben möchte (so können z.B. Ohrfeigen für manche Menschen erregend und ein absolutes „Muss“ sein, andere schließen diese jedoch aus).

Abgesehen von dieser groben Sammlung an Möglichkeiten wollte ich der Mistress freie Hand lassen, keine detaillierten Wünsche zum Ablauf äußern. Die Erstellung und Umsetzung eines Drehbuchs war nie meins und ist es auch heute nicht.

Ich möchte den Kopf ausschalten und mich fallen lassen. Eine Auszeit genießen vom Alltag, eine Reise in eine andere Welt.

Geduscht, geputzt und gestriegelt, ausgestattet mit einem sorgfältig ausgefüllten Neigungsbogen setzte ich mich ins Auto und machte mich auf den Weg. Geplante Fahrzeit war ungefähr eine Stunde, um eine Verspätung komplett auszuschließen rechnete ich mit 2 Stunden. 40 Minuten vor unserem Termin war ich vor Ort und parkte um die Ecke um zu warten.

Und ich wartete. 40 Minuten Kopfkino, Vorfreude, Aufregung, Spannung. Und die Frage: Worauf habe ich mich eingelassen?

5 Minuten vor dem Termin fuhr ich auf den Parkplatz des Studios und machte mich auf den Weg zur Tür. Jeder Schritt fühlte sich etwas schwerer an und ein flaues Gefühl machte sich im Magen breit.

Da stand ich mit zitternden Knien und wartete eine endlose Minute. Es gab kein Zurück mehr. 15:00… Mein Finger berührte die Klingel.

Ich hörte Schritte und die Tür öffnete sich. Was erwartete ich? Eine Teufelin, die mich anschrie? Stattdessen blickte ich in das Gesicht einer schönen jungen Dame, wache Augen und ein vergnügtes Lächeln.

„Hallo, schön dass Du da bist! Komm mit!“

Sie trug ein knappes Outfit aus Leder und hohe Stiefel. Ich folgte ihr einen Gang entlang in die Untiefen des Studios, weiter in einen Raum. Abgedunkelt, erleuchtete Vitrinen mit allerlei Gerätschaften, Masken, an einer Seite hingen Anzüge aus Leder. Es gab Vorrichtungen zum Fesseln, eine Liege in der Mitte des Raumes, einen Gyn-Stuhl, eine Nasszelle. Alles entsprungen aus einer düsteren mysteriösen Parallelwelt.

Ich nahm auf einem kleinen Ledersofa Platz. „Magst Du etwas trinken?“ fragte sie und verschwand kurz aus dem Raum. Ich musterte die Gerätschaften, Sex-Toys, Folterwerkzeuge, den ganzen Raum und ließ die Stimmung auf mich wirken.

Ich bekam das gewünschte Getränk und überreichte ihr den vereinbarten Tribut in einem Umschlag, sowie den Neigungsbogen. Sie setzte sich mir gegenüber auf die Liege und musterte den Bogen. Wir sprachen kurz darüber was mit meinen körperlichen Einschränkungen möglich bzw. nicht möglich war. Abgesehen davon würde ich ihr gerne freie Hand lassen.

Nach dem Vorgespräch zeigte sie mir die Dusche. „Zieh Dich aus, mach Dich frisch und warte hier…“

„Nervös?“

Ich nickte.

Sie zwickte mir in beide Brustwarzen, grinste und verschwand mit den Worten „Bis gleich…“

So stand ich ein paar Minuten später wartend in der Mitte des Raumes. Wartete, umringt von Folterwerkzeugen, die der Hölle entsprungen schienen und wusste es gibt kein zurück.

Ich hörte Schritte und die Tür öffnete sich.

Sie kam herein, stand vor mir, schaute mich an und führte mich unter ein Gestell. Meine Hände wurden über dem Kopf fixiert, so dass ich ihr ausgeliefert war.

Langsam bewegte sie sich, ihrer Reize bewusst, holte einen Flogger (eine Art Peitsche mit Lederriemen). Ich beobachtete sie gespannt. Langsam kam sie näher, die Augen funkelten.

Immer näher, bis sie nur noch Zentimeter von mir entfernt war. Ihre Hand fuhr über meine Brust. Das Funkeln in den Augen kam mir stärker vor und ein plötzlicher herzhafter Biss in meine Brustwarze machte mir bewusst, dass es hier keinen sanften Einstieg gab. Die Augen vor Schreck aufgerissen, war ich dabei in eine andere Welt zu blicken. Die Welt des BDSM.

Knapp zwei Stunden später kam ich erschöpft wieder zu mir. Mein Körper fühlte sich an wie vom Bus überfahren, ebenfalls empfand ich ein wunderbares Gefühl von Zufriedenheit und versuchte zu verstehen was hier eigentlich passiert war.

Die Mistress stand lachend vor mir während ich versuchte mich zu sortieren. Mein Körper schmerzte und in mir machte sich ein Zustand von Glückseligkeit breit. Zurück aus „der anderen Welt“, fernab der täglichen Sorgen und Probleme.

Sie hatte es wunderbar geschafft meine komplette Aufmerksamkeit auf sich zu lenken, mich zu steuern, zu foltern, zu fordern, mit meiner Lust zu spielen. Es war intensiv.

Nach der Session hielten wir noch etwas Small Talk, ich dürfe mich gerne mit Feedback zur Session melden wenn ich möchte.

Auf der Heimfahrt fühlte ich die Spuren, die Nachwirkungen. Geschundene Brustwarzen, blaue Flecken auf meinem Hintern, ich spürte meinen kompletten Körper. Ich fuhr, war glücklich und ein zufriedenes Grinsen zog sich über mein Gesicht.

Zuhause lachte ich laut auf als ich Bissspuren an meinem Hals entdeckte. Die Erlebnisse der Session hatten sich in meinen Kopf eingebrannt. Meine Laune war spürbar gut, die Stimmung gelöst und ich dachte noch lange Zeit an diese erste Session zurück.

Meine Erwartungen wurden mehr als erfüllt. Meine erste BDSM-Session.

Das ist mein Bericht, mit dem ich zeigen möchte was Sexwork auslösen kann. Was Sexwork bei mir ausgelöst hat. Sexarbeit beeinflusst Gefühle, Empfinden und schafft wunderbare Erlebnisse. Man kann Fantasien ausleben, sich Träume erfüllen, Kompliz*innen finden für Wünsche die man niemandem sonst anvertraut.

Es geht nicht nur um die gebuchte Zeit von 2 Stunden. Es geht um den Prozess davor, die Vorfreude. Es geht um ein intensives oder heilsames oder entspannendes oder aufregendes Erlebnis (oder alles zusammen). Es geht um das Gefühl danach, die Erinnerungen, das Lächeln beim Verlassen des Studios. Es geht um die Stimmung, die noch Tage und Wochen danach anhält, von der man lange zehrt.

Es geht um den schönen, positiven Einfluss den Sexarbeit haben kann.

Ich habe lange gezögert und dann doch den Schritt gewagt. Ich habe es nie bereut.