Wenn man sich entschließt, zu Sexarbeitern zu gehen, kommt man irgendwann nicht mehr an den sog. „Freierforen“ vorbei.
Bevor ich begonnen habe, zu Sexarbeiterinnen zu gehen, habe ich viel in den einschlägigen Freierforen gelesen. Wo sollte ich mich sonst klug machen? Bis zu meinem Eintritt in die Freierforen gab es nichts und niemanden, den ich über Sexarbeit hätte fragen können. Hier in den Freierforen wurden Dinge erklärt, die mir als Neuling komplett unbekannt waren, wie zum Beispiel der konkrete Ablauf der Anbahnung zu einem Treffen mit einer Sexarbeiterin. Ich stellte Fragen im Forum und diese wurden von den „alten Hasen“ beantwortet.
So bin ich dann zum ersten Mal in ein Bordell gegangen. Es war für mich eine großartige Erfahrung. Nachdem ich mich, wie im Forum geraten, bei der Sexarbeiterin als Neuling outete, wurde ich an die Hand genommen und es wurde mir sehr einfach gemacht. Ich fuhr nach Hause und musste das Erlebte erstmal verarbeiten. Ich begann zu schreiben. Mit zitternden Händen und voller Rechtschreibfehlern postete ich den ersten Bericht.
Man muss die unterschiedlichen Freierforen nach meiner Meinung unterscheiden:
· Einige sind niveaulos
· Einige werden nicht genutzt
· Einige sind nur Werbeplattformen für irgendwelche Clubs oder Wohnungsbordelle
· Einige sind nur für zahlungskräftige Mitglieder nutzbar
· Ein paar sind informativ, gut geführt und es herrscht ein freundliches Miteinander
Ich habe mich in diversen Freierforen herumgetrieben und in jedem Forum irgendetwas hinterlassen. Interessant waren die Reaktionen der anderen Nutzer und auch die Likes, die man für bestimmte Beiträge erhält. Oftmals wurde ich über die Foren zu einer anderen Denkweise verleitet, ich ließ mich auch zu kontroversen Themen (z.B. SM, erotische Massage) überzeugen.
In den Foren wird nicht nur über die Besuche bei Sexarbeiterinnen diskutiert. Teilweise sind die Themen Lichtjahre von Sexarbeit entfernt. Es wird über Sport, Musik, Filme und auch politische Themen diskutiert.
Für mich ist das Schreiben eines Berichtes über den Besuch bei einer Sexarbeiterin auch eine Art Erlebnisverarbeitung. Was nutzt mir das tollste Erlebnis, wenn ich das nicht mit jemandem teilen kann?
Ich kann wohl kaum zu einem Arbeitskollegen gehen und ihm erzählen, was für einen tollen Service die Sexarbeiterin beim letzten Besuch abgeliefert hat. Soweit wird unsere Gesellschaft es zu meinen Lebzeiten wohl nicht mehr schaffen. Daher teile ich meine Erfahrungen in den Freierforen. Jede neue Erfahrung in der Sexarbeit schreibe ich auf. Jedoch achte ich heute noch darauf, dass ich über eine Sexarbeiterin nur den ersten Besuch veröffentliche (keine Regel ohne Ausnahme).
Meine Berichte sollen auch Neuen im P6 (Ausdruck in Freierforen für „Paysex“) helfen, sich zurecht zu finden. Natürlich dienen die Freierforen auch als Werbung für Sexarbeiter. Aber ist das schlimm? Nein, ich denke nicht.
Auch gibt es Berichte, die überhaupt nicht der Wahrheit entsprechen und in denen über Sexarbeiter übelste Behauptungen aufgestellt werden. Da man sich in den Freierforen anonym austauscht, ist natürlich das und der sog. „Hate Speech“ ein großes Thema. In der Regel werden diese unterirdischen Berichte mit sehr vielen negativen Kommentaren der anderen Nutzer versehen. Hier ist es an den Admins der Foren sowas klarzustellen, was teilweise schwierig ist, da der Akt normalerweise hinter verschlossenen Türen stattfindet und es im Allgemeinen keine unabhängigen Zeugen gibt. Ungesetzliches wandert bei gut geführten Foren in den Müll, Trolle werden verwarnt oder gesperrt und so weiter und so fort.
Ich kann mir vorstellen, dass einige Außenstehenden diese ganzen Freierforen für eine Ansammlung von kranken, triebgesteuerten, notgeilen Männern halten. Ja, diese Foren gibt es auch. Schlechte oder unmoderierte Freierforen sind die Quelle der oft zittierten „Freierzitate“ der Sexkaufgegner. Diese „Freierzitate“ sind nach meinen langjährigen Erfahrungen in diesen Foren aber die negativen Ausnahmen und kommen in gut moderierten Foren nicht vor.
Sicherlich gibt es dann in den Foren die Nutzer, die die Erlebnisse von anderen „nachspielen“ wollen. Dieses funktioniert aber nicht, da jede Begegnung mit einer Sexarbeiterin anders ist und ein Termin immer von dem Miteinander der beteiligten Personen und ganz vielen anderen Faktoren abhängt.
Über mein Stamm-Forum habe ich viele Freier und Sexarbeiterinnen kennengelernt. Einige Nette, einige nicht so wirklich nette Leute. Es ist halt so wie im richtigen Leben. Gelegentlich treffen sich die Leute aus dem Forum auch mal im realen Leben. Hier haben sich schon sehr großartige Freundschaften entwickelt. Auch trifft man sich gelegentlich in einem Club.
Besonders interessant werden die Foren, wenn sich auch aktive oder ehemalige Sexarbeiterinen an Diskussionen beteiligen. Hier kann man(n) dann mal die Sicht der Anbieterseite kennenlernen.
Für mich ist das eine oder andere Freierforum eine Bereicherung.
Die Rübe (ruebennase009)