Blind im Dominastudio
Nach etwa 6 Monaten Kontakt per eMail und Whatsapp und nach einigen Widrigkeiten habe ich es geschafft am 25. Oktober 2022 eine Session in einem Hamburger Dominastudio zu buchen. Es war bereits der dritte Versuch nachdem die ersten beiden Versuche einen Termin zu buchen an der Deutschen Bahn und an Corona scheiterten.
Ich bin Anfang dreißig, alleinstehend, berufstätig und lebe mit einer hochgradigen Sehbeeinträchtigung, die höchstwahrscheinlich zur vollständigen Erblindung führen wird. Ich sehe Menschen als Konturen und Farben, keine Gesichter, das wesentliche Erkennungsmerkmal ist für mich die Stimme.
Um meine Motivation zu verstehen blicken wir ein paar Jahre zurück (ca. 20 Jahre).
Es ging bei mir wie vielen Menschen, die BDSM ausleben, bis in die Kindheit zurück und ich erinnere mich an einige Erlebnisse die mich bis heute beeinflussen. Da wäre zum einen die Vorliebe für Fixierungen und die Entdeckung, dass ich Gefallen daran fand, dass weibliche Personen Macht über mich ausüben, mich geradezu dominieren. Dies empfand ich bei Mitschülerinnen, Erzieherinnen und Lehrerinnen. Die Zeit in einem Internat für Menschen mit Sehbeeinträchtigungen prägte mich in Bezug auf diese Vorliebe erheblich. (13 Jahre Internat) Es gab einige Situationen über die ich bis heute nachdenke, zum Beispiel wurde ich einmal von zwei Praktikantinnen auf einer Wiese gefesselt und beobachtet. Nach zehn Minuten konnte ich mich befreien, empfand das Erlebnis im Nachhinein als schön. Fixiert und beobachtet von zwei jungen Damen. Weder sie noch ich wussten was dieses Erlebnis in mir auslöste und welche Bedeutung ich dem beimessen würde…
Diese Vorliebe hatte noch keinen Namen. Das Thema BDSM entdeckte ich dann durch verschiedene Medien und fing an mich selbst damit zu beschäftigen. Ich recherchierte, hörte Podcasts und machte erste Erfahrungen über eine Telefonhotline. Während Corona unterzog ich mich einer Therapie für meine Depression und konnte mich in diesem Zuge auch der Vorliebe für BDSM stellen.
Meine Therapeutin sagte mir „Tu jeden Tag etwas, das dich ängstigt.“ Somit wurde der Wunsch stärker mich mit diesem Thema intensiv auseinander zu setzen. Ich fasste den Entschluss, meine Gedanken in die Tat umzusetzen, das Kopfkino Realität werden zu lassen.
Seit einiger Zeit hörte ich Podcasts zum Thema, unter anderem den einer Domina. Von mal zu mal wurde sie mir immer sympathischer und vertrauter, so dass ich sie per Mail kontaktierte. Natürlich erwähnte ich meine Einschränkung, fragte ob eine Session trotzdem möglich wäre. Sie antwortete und stellte mir ein paar Fragen um die Sehbeeinträchtigung besser verstehen zu können. Wie kann sie mit mir umgehen? Sie war einem Besuch offen gegenüber eingestellt, so dass wir ein Telefonat vereinbarten um weitere Details tu klären. Ein Telefongespräch ist für mich einfacher als ein Kontakt per Mail. Wir sprachen miteinander, klärten die Rahmenbedingungen.
Ich erbat mir etwas Bedenkzeit. In den folgenden zwei Wochen reifte der Entschluss eine reale Session mit ihr erleben zu wollen.
Nach etwa 6 Monaten seit dem ersten Kontakt stehe ich jetzt hier vor dem Eingang ihres Studios. Mein Herz raste und es wäre untertrieben zu sagen, dass ich nur aufgeregt war. Ich stellte mir tausend Fragen… War sie wirklich so wie sie zu sein schien? Was habe ich mir da eingebrockt? Jetzt gab es kein zurück mehr… Schließlich betätigte ich die Klingel. Hinter der Tür hörte ich schnelle Schritte von Stiefeln. Die Tür öffnete sich und ich wurde begrüßt mit der Frage „Zu wem?“.
Ich nannte ihren Namen und wurde hereingebeten. Eine mir wohlbekannte Stimme aus dem Hintergrund sagte leise meinen Namen. Der erste reale Kontakt mit meiner heutigen Herrin.
In einem kurzen Vorgespräch klärten wir Tabus, Vorlieben und den ungefähren Ablauf der nächsten zwei Stunden bevor ich dann ins Bad geführt wurde. Sie zeigte mir wie ich mich dort zurecht finden konnte und wies mich an nach der Dusche auf Knien vor der Tür zu warten und zu klingeln.
Ich kniete und wartete.
Mein Herz pochte, mein Magen schmerzte und Sekunden fühlten sich an wie Minuten, Stunden. Ich weiß nicht wie lange ich wartete… Irgendwann hörte ich Schritte. Erst langsam, dann schneller näher kommend.
Als sie die Tür öffnete war ich fasziniert und verwundert zugleich. Die Magenschmerzen waren von einem auf den anderen Moment verflogen, ich traute mich kaum nach oben zu schauen. Sie stand keine 20 Zentimeter von mir entfernt, Details sah ich keine, konnte sie jedoch erkennen. Ihre Statur, die hohen Stiefel, ihren angenehmen Duft.
Sie legte mir eine Leine an, wies mich an aufzustehen und führte mich in den Playroom. Düster, mystisch, unzählige Gerätschaften, schemenhaft erkennbar, die nur darauf warteten mich zu quälen.
Sie nahm auf ihrem Thron Platz und überschlug die Beine. „Knie Dich hin!“ Laut und deutlich vernahm ich ihre Anweisung und leistete ihr Folge. Nach langem Warten, Zögern, Zweifeln wurde meine Fantasie Wirklichkeit.
Die folgenden zwei Stunden waren nicht minder aufregend. Ich durfte Fixierung erleben, viele neue Sinneseindrücke prasselten auf mich ein. Trotzdem entging ihr nicht meine Unsicherheit, sie wusste darauf sensibel zu reagieren. Feinfühlig und sanft, genau das was man in einem Dominastudio nicht erwartet. Oder sollte das nur ein Vorurteil sein? Feinfühlig und sanft wie sie war, brachte sie ihre Stimme zum Einsatz. Sie leitete mich, entlockte mir meine Fantasien und begleitete mich in einen Zustand und ein Gefühl der Entspannung. So fiel es mir leichter meine Angst zu überwinden und mich ihr zu öffnen. BDSM ist vielseitig und viel mehr als nur die Peitsche zu schwingen.
So wie die Session startete, auf Knien ihre Stiefel liebkosend, so endete sie.
Während der anschließenden Dusche fiel mir nicht nur ein Stein vom Herzen, sondern auch eine über 30 Jahre alte Last. Eine Last, die ich mein ganzes Leben mit mir herum getragen habe.
Es folgte ein kurzes Nachgespräch und sie bedankte sich für mein ihr entgegen gebrachtes Vertrauen. Ich bedankte mich bei ihr für das wunderbare Erlebnis, die Einführung in die große Welt des BDSM.
Ich trat den Heimweg an, 400km Heimfahrt. Hin und zurück am gleichen Tag. Viel Zeit um das Erlebte zu verarbeiten. Draußen die Farben des Sonnenuntergangs, in meinem Kopf die Erinnerungen an das Erlebte, war ich glücklich, müde und zufrieden.
Zuhause angekommen schickte ich ihr eine Nachricht wie froh ich über diesen Tag war. Ich bin ihr aus tiefstem Herzen dankbar diesen Schritt mit ihr gegangen zu sein und freue mich auf jede neue Session!
Ich bin diesen Schritt gegangen und ermutige jeden ihn ebenfalls zu gehen!