“Es tat so gut, mit Dir einfach nur nackt zu sein”
– Meine Erfahrung mit Supportive Sexwork
Ich bin eine Frau, Anfang 40 und lebe mit meinem Mann in einer Stadt in Süddeutschland. Es ist nicht das erste Mal, dass ich Sexarbeit für mich genutzt habe. Es gab schon Tantramassagen von einer weiblichen Sexarbeiterin und ein Escort-Date ohne Sex mit einem männlichen Sexarbeiter, allerdings, ohne es meinem Mann zuvor zu erzählen. Das sollte dieses Mal anders sein. Ich erzählte meinem Mann von meinem Plan, einen anderen Sexarbeiter, Ben Nordmann, zu treffen.
Da dieser seine Arbeit als „Supportive Sexwork“ bezeichnet, sah ich dieses Treffen als Unterstützung in einer Zeit des persönlichen Umbruchs bzw einem weiteren Schritt zu einem erfüllten Sexualleben mit meinem Mann, denn auch er erhoffte sich Impulse für unser Sexualleben. Wir, vor allem ich, sind durch harte Zeiten gegangen, mit vielen emotionalen und medizinisch schwierigen Entscheidungen, in denen Sexualität und ein positiver Blick auf meinen Körper nicht immer gegeben waren. Und so stand für mich
fest, neben der Neugier, dem Wunsch etwas anderes zu erleben und neue Impulse zu bekommen und dem Bedürfnis nach Nähe, Zärtlichkeit und Sexualität, die ich zu diesem Zeitpunkt nicht komplett in meiner Beziehung finden konnte oder wollte, gab es noch einen andere Buchungsgrund.
Denn ich habe wirklich Probleme mit meinem Körper, das weiß ich auch. Im Usedomurlaub im Jahr vor dem Treffen mit Ben, war ich mit meinem Mann am FKK – Strand. Das war das erste Mal, das ich nackt vor fremden Menschen war, außer in einem medizinischen Setting. Und es hat sich gut angefühlt, war aber einfacher, da ja alle nackt waren und man eh die meiste Zeit am Strand lag. So eine 1:1-Situation, wie
mit Ben, war mir neu. Ich hatte immer schon große Unsicherheiten bzgl meines Körpers und die Hoffnung, sie durch diese Öffnung und durch die Fotos, die ich mit Ben machen wollte, in den Griff zu bekommen. Dabei ist es mir wichtig festzuhalten, dass Ben kein Therapeut ist und das Treffen mit ihm keine Therapie. Ich hatte aber für mich die Möglichkeit gesehen, durch die Nutzung der bestärkenden, sexuellen Dienstleistungen, die er bietet, mit viel Reflexion und Arbeit an mir, einen Fortschritt für mein (Sexual-)leben zu erzielen. Dafür musste ich mich ihm und der neuen Situation offen gegenüberstehen. Ich will nicht verhehlen, dass die Tatsache, dass Ben mit seiner freundlichen, offenen und empathischen Art zu kommunizieren, eher wie der „normal guy“ wirkt, was mir viel Druck nahm.
Ich nehme also Kontakt über eine der gängigen Callboy-Webseiten auf und wir vereinbaren ein Treffen mit Overnight in Stuttgart. Auf dieses Treffen habe ich mich sehr explizit vorbereitet. Ich habe Wetterkarten und Stadtpläne studiert, Toys und Bücher mitgenommen. Ich bin unglaublich aufgeregt gewesen, aber ich hatte auch Lust auf Ben. Für mich damals ein besonderes Gefühl. Auch die Möglichkeit, dass es tatsächlich die Option auf Sex gibt, mit einer anderen Person als meinem Mann, war für mich neu.
Es gab vor dem Treffen, immer wieder via Instagram Kontakt mit Ben, bzgl. der Organisation des Termins, aber auch, weil ich Unsicherheiten wegen meinem Körper hatte, die ich ihm offenbarte. Ich schilderte ihm, dass ich durch die bestehende Adipositas per magna (Mehrgewicht) gehemmt bin und ob wir zusammen zu Beginn in die Sauna gehen wollen. Damit er meinen Körper erstmal nackt sieht und so schon mal weiß, was auf ihn zukommt. Er schrieb daraufhin, dass er meinen Körper lieber Stück für Stück, Zentimeter für Zentimeter entdecken möchte. So wertschätzend hat noch nie jemand über meinen Körper gesprochen. Das fühlte sich so warm und einladend an, dass ich meine Zweifel, ob ich ihm mit meinem Körper genüge, beiseiteschieben konnte.
Wir trafen uns also im Frühling im Stuttgarter Schlossgarten, es kribbelte bei mir sofort und es kam auch schnell zum ersten Kuss und sehr schnell gingen wir ins Hotel zurück. Dort kamen wir uns näher. Sein Blick damals, so liebevoll, seine Berührungen so zärtlich, seine Stimme so sanft, das machte es mir einfacher, mich noch mehr zu öffnen und so kam es auch mehrfach zum Sex und wir machten Fotos. Das Treffen dauerte bis zum Nachmittag des nächsten Tages und endete mit einem Café -Besuch, bei dem wir die Fotos ansahen und nochmal alles rekapitulierten, sowie einem Kuss zum Abschied. Zuhause muss ich erstmal wieder im Reallife ankommen, das ist nicht so einfach, kenne ich aber schon von Urlauben, anderen Escort-Treffen oä, daher bin ich nicht überrascht, dass es mir nach dem Treffen mit Ben auch so geht.
Ich schildere das alles relativ knapp, weil die wirklich bleibende Entwicklung ja danach kam.
So bin ich unglaublich froh, dass wir die Fotos gemacht haben, auch als Erinnerung. Eigentlich bin ich ein sehr haptischer Mensch, was mir vor dem Treffen mit Ben gar nicht so bewusst war, aber in diesem Fall berühren mich die Fotos vom Treffen fast noch mehr. Sie ermöglichen mir einen liebevollen Blick auf meinen Körper, auch den musste ich erstmal gewinnen. Denn auf manchen Fotos ist sehr viel Körper zu sehen.
Es war so schön, sich öffnen zu können. Und es war so befreiend mit Ben einfach mal nackt zu sein. Er hat meinen Körper so liebevoll behandelt, ich habe mich davon inspirieren lassen. Auch das Nacktsein versuche ich jetzt öfter zu leben, für mich zuhause oder mit meinem Partner zusammen zuhause.
Der Sex mit Ben ist mir natürlich im Gedächnis geblieben, auch weil Ben erst der zweite Mann für mich war und es war einfach schön mit ihm, gerade, weil er nicht so glatt und “aalig” ist. Er hat mich an Stellen geküsst, die ich an mir gar nicht mag, fast schon abstoßend finde, also vor allem den Bauch. Ich habe diese Küsse und Berührungen zugelassen, genossen und kann das jetzt auch zuhause besser.
Es kam auch immer wieder zum Kontakt zu Ben, für gemeinsame Projekte wie eine Fotoausstellung oder zwecks Planung eines neuen Termins, zum Beispiel zusammen mit meinem Mann. Ein Dreier, ein Erlebnis, dass für mich neu war und dass ich mit Menschen erleben wollte, denen ich vertrauen kann.
Auch nutzte ich jemanden aus Bens Umfeld, um das erste Mal in meinem Leben Sex mit einer Frau zu haben. 20 Jahre hatte ich darauf gewartet. Eine lange Zeit, auch wenn sie im Vergleich zu den 40 Jahren, die ich gewartet habe, einen Bikini anzuziehen und so das Wasser des Meeres direkt auf meiner Haut zu spüren, kurz erscheint. Auch die Bikinierfahrung kann ich auf Bens Arbeit zurückführen und meine Stärke aus dieser etwas Bleibendes für mich mitzunehmen.
Und natürlich hatten die Treffen auch eine stärkende Wirkung auf meine Beziehung zu meinem Mann. Das mag erstmal verrückt klingen, aber durch die Möglichkeit bei den Treffen mit Ben festzustellen, was ich überhaupt bzgl Sexualität in meiner Beziehung möchte, konnte ich diese Wünsche leichter äußern und zusammen mit meinem Mann umsetzen.
Aber ich spüre auch, es ist bald Zeit Abschied zu nehmen. Es wird noch ein Treffen zu viert geben. Er, ich, mein Mann und eine Sexarbeiterin aus seinem Umfeld. Das wird spannend. Vor allem, weil ich so meinen Mann mit einer anderen Frau in einem sicheren Setting erleben kann.
Danach werden sich die Wege von mir und Ben wohl trennen. Denn ich merke immer mehr, für die Sauna, den FKK-Strand, Aktfotos, kinky Partys und neue sexuelle Erfahrungen, brauche ich ihn nicht mehr. „Ich kann das jetzt allein.“ denke ich mir immer öfter, wenn ich unsere Unternehmungen Revue passieren lasse. Er hat mich irgendwie durch eine aufregende Zeit begleitet, aber es gibt wieder neue Schritte die ich, jetzt ohne ihn, gehen möchte.
Und so schwingt ein bisschen Wehmut mit, während ich diese Zeilen schreibe. Ich weiß nicht, wie und wo und in welchem Setting sich manchmal die Wege wieder kreuzen und so schreibe ich lieber „Auf Wiedersehen lieber Ben und danke für alles.“