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Köln, im Januar 2025 – Die Sexualwissenschaftlerin Harriet Langanke aus Köln forscht seit 2002 zu Prostitutionskunden. Hauptsächlich zu deren Internet-Foren und überwiegend partizipativ – also gemeinsam mit den Männern. Für die Initiative Kundschaft pro Sexarbeit fasst sie wesentliche Erkenntnisse aus vorwiegend heterosexueller Sicht zusammen.


1. Zahlen: Wie viele Männer, die für Sex bezahlen, gibt es überhaupt in Deutschland?

Bei der repräsentativen Gesid-Studie („Gesund in Deutschland“) hat im Jahr 2021 jeder vierte Mann (26,9%) angegeben, mindestens einmal im Leben für Sex bezahlt zu haben. So lässt sich zumindest grob weiterrechnen: Bei rund 35 Millionen Männern ab 18 Jahren ergeben sich statistisch 8,75 Millionen Männer, die mindestens einmal sexuelle Dienstleistungen in Anspruch genommen haben. Was die Wissenschaft noch genauer erforscht, aber bisher nicht gesichert für alle Prostitutionskunden weiß: Welche Männer nehmen welche Dienste wie oft und mit welcher Regelmäßigkeit in Anspruch? Auch noch nicht wissenschaftlich gesichert ist die Zahl der Frauen, die für Sex bezahlen.

2. Daten: Was für Männer sind das, die sexuelle Dienstleistungen in Anspruch nehmen?

Da stimmen die Berichte aus der Praxis mit den wissenschaftlichen Befragungen überein. Kunden von Sexarbeiterinnen kommen aus der gesamten Gesellschaft, sie bilden keine homogene Nischengruppe. Alt und jung, dick und dünn, arm und reich – alle demografischen Kategorien sind vertreten. Schon 1994 hatten Dieter Kleiber und Doris Velten in ihrer Studie „Untersuchung über soziale und psychologische Charakteristika von Besuchern weiblicher Prostituierter in Zeiten von Aids“ nachgewiesen, dass Kunden von Sexarbeiterinnen einen gesellschaftlichen Querschnitt abbilden.

3. Gründe: Warum gehen Männer zu Sexarbeiterinnen?

Die einfache Antwort lautet: Sex. Wenn es aber darum geht, genauer zu beschreiben, welche sexuellen Dienstleistungen tatsächlich in Anspruch genommen werden, zeichnet die Forschung ein differenziertes Bild. Die am häufigsten in Anspruch genommene sexuelle Dienstleistung wird zumeist mit dem Begriff des Girlfriend-Sex, im Fachjargon oft GF6 beschrieben. Bei dieser Art der sexuellen Begegnung stehen nur selten Dienstleistungen aus dem BDSM-Spektrum oder mit anderen Kinks im Zentrum. Stattdessen geht es bei der Girlfriend-Experience um solche Praktiken, wie sie eine Sexarbeiterin exemplarisch beschreibt: „Zuerst ein bisschen Französisch, danach Geschlechtsverkehr, manchmal mit Stellungswechsel, vielleicht auch noch quatschen, aber längstens, bis die bezahlte halbe Stunde um ist.“


4. Motive: Wofür nehmen Männer sexuelle Dienstleistungen in Anspruch?

Nach umfangreichen Befragungen und in partizipativer Sozialforschung kristallisierten sich drei sich überlappende Motivationsbereiche heraus. Für eine Gruppe von Prostitutionskunden gilt, dass sie die sexuellen Dienstleistungen als „Grundversorgung“ betrachten. Sie nehmen Leistungen in Anspruch, die sie auf anderen Wegen nicht erhalten. Eine zweite Gruppe betrachtet die Inanspruchnahme sexueller Dienstleistungen als etwas Besonderes, die Motivation dieser Gruppe lässt sich als „Hedonismus“ beschreiben. Beide Gruppen lassen sich nicht trennscharf voneinander abgrenzen, da die Männer die jeweiligen Dienstleistungen unterschiedlich beurteilen. So kann ein Kunde den Abend im Saunaklub als Grundversorgung empfinden, während dieser Besuch für einen anderen Freier schon zur Kategorie Hedonismus gehört. Auch mit der dritten identifizierten Gruppe gibt es Überlappungen. Diese Gruppe beschreibt die Motivation für den Paysex nicht primär als sexuelle Grundversorgung und auch nicht als vorrangig hedonistisch, sondern nimmt die Dienstleistungen vor allem in Anspruch, um „soziale Intimität“ zu erfahren. Diese soziale Intimität ist zwar überwiegend auch mit sexueller Begegnung verbunden, diese kann jedoch gegenüber den beiden erstgenannten Gruppenmotivationen nachrangig sein.

Rund die Hälfte der befragten Prostitutionskunden (49,1%) geben an, keine private Beziehung zu haben. Diejenigen, die angeben, eine private Beziehung zu haben, berichten, dass sie ihre Bedürfnisse – seien es, die zur Grundversorgung, zum Hedonismus, zur sozialen Intimität – nicht innerhalb dieser privaten Beziehung verwirklichen können.

5. Erwartungen: Was erwarten Männer von Sexarbeiterinnen?

Befragungen unter Prostitutionskunden zeichnen ein hochdifferenziertes Bild zu den Erwartungen, die die Männer mit der sexuellen Dienstleistung in Verbindung bringen. Aus den sehr unterschiedlichen Erwartungen ragen Aspekte hervor, die sich drei Hauptkategorien zuordnen lassen. So erwarten die meisten Männern vor allem ein „faires Geschäft“, also Klarheit über den Preis und die erbrachte Leistung. Sie wollen sich „nicht abgezockt“ fühlen, wollen die vereinbarte Dienstleistung erhalten und einen als „fair“ empfundenen Preis bezahlen. Zudem nennen sie „Sauberkeit und Hygiene“ als eine wesentliche Erwartung. Wobei sich diese Kriterien innerhalb eines sehr breiten Spektrums bewegen und sich sowohl auf die Umgebung, zum Beispiel die Prostitutionsstätte, wie auch auf die Dienstleisterinnen beziehen können. Eine, dritte, sehr ambivalente Erwartung lässt sich als „ehrliche Illusion“ beschreiben. Mit dem Wissen um die geschäftliche Natur ihrer Begegnung geben Freier in Befragungen immer wieder an, auch für eine Illusion zu zahlen: „Am schönsten ist es, wenn es für mich den Eindruck macht, dass sie „es“ will.“