• Beitrags-Kategorie:Berichte
  • Lesedauer:17 min Lesezeit

Hallo, stell dich doch bitte kurz vor!

Ich verwende im Internet das Pseudonym Bagoas, wobei ich im Pay-Sex selbst durchaus mit meinem richtigen Vornamen auftrete.

Ich bin ein alleinstehender Mann und habe auch noch nie in einer Beziehung gelebt.

Ich gehe auf die 60 zu und nutze seit über 30 Jahren Pay-Sex. Dabei interessiert mich ausschließlich der sogenannte Girlfriend-Sex, also Sex, wie er in ähnlicher Form auch in normalen Beziehungen stattfinden würde.

Die einzige „außergewöhnliche“ Variante, die ich häufig nutze, ist der Sex mit 2 Frauen.

Früher bin ich meist in FKK-Clubs gegangen. Inzwischen besuche ich Wohnungsbordelle oder treffe mich mit Frauen, die mir ihre Kontaktdaten gegeben haben und die ich teilweise schon sehr lange kenne.

Was sind deine Beweggründe, sexuelle Dienstleistungen in Anspruch zu nehmen? Welchen Stellenwert hat Sexarbeit für dich in deiner aktuellen Lebenssituation?

Mir fehlt offenbar völlig das Talent zur Verführung. Ich habe daher noch nie Sex außerhalb des Pay-Sex gehabt.

Ich nehme sexuelle Dienstleistungen also in Anspruch um mein Bedürfnis nach Sexualität, Intimität und Zärtlichkeit zu erfüllen.

Die Möglichkeit, diese Bedürfnisse zu erfüllen, ist mir sehr wichtig, auch wenn ich den Eindruck habe, dass es mit zunehmendem Lebensalter etwas nachlässt.

Welche Erwartungen und/oder Befürchtungen hattest du vor deinem ersten Besuch bei einer Sexarbeiterin? Welche sind in Erfüllung gegangen, welche nicht?

Der erste Besuch bei einer Sexarbeiterin liegt schon über 30 Jahre zurück, so dass ich mich nicht besonders gut daran erinnern kann.

Ich war sicherlich sehr nervös und wollte in erster Linie „entjungfert“ werden. Das hat mehr oder weniger gut geklappt (das erste Mal gab es nur Handentspannung).

Die ersten Besuche bei Sexarbeiterinnen haben in den Rotlichtbezirken größerer Städte stattgefunden, in einer Umgebung, die ich heute nicht mehr aufsuche.

Was ist dir wichtig bei der Entscheidung für eine Sexarbeiterin?

Das hängt auch davon ab, wie der Kontakt zustande kommt.

Beim Erstkontakt in einem Wohnungsbordell oder FKK-Club spielt natürlich das Aussehen eine wesentliche Rolle, aber auch die Art, wie sich die Frau gibt.

Bei der Frage, ob ich eine Wiederholung anstrebe, hängt es sowohl davon ab, wie ich den Sex fand, als auch davon, ob ich den Eindruck hatte, dass es persönlich passte.

Welche Tips hättest du selbst gerne vor deinem ersten Besuch bei einer Sexarbeiterin bekommen? Was hat dich überrascht?

Zu der Zeit als ich mit dem Pay-Sex begann, gab es noch keine Möglichkeit, sich über das Internet zu informieren. Daher bin ich eben zu den öffentlich bekannten Stellen des Rotlichtmilieus gegangen. Im Nachhinein wäre es mir lieber gewesen, ich hätte damals bereits gewusst, dass es Adressen gibt, in denen ein viel intimerer Kontakt möglich ist.

Ich erinnere mich auch, dass ich damals Angst hatte, ich könnte Opfer eines Erpressungsversuchs werden. Heute weiß ich, dass so etwas nicht (oder jedenfalls nur sehr selten) vorkommt.

Wie läuft ein Treffen mit einer Sexarbeiterin bei dir typischerweise ab?

Da gibt es sehr unterschiedliche Varianten. Ich beschreibe mal kurz einen ungefähren „Fahrplan“ für ein Treffen mit einer Nebenerwerbs-Sexarbeiterin, die ich schon sehr lange kenne.

Dabei kann es aus der Situation heraus auch mal zu Abweichungen kommen:

Sie hat eine Wohnung eingerichtet, in der sie mich (und natürlich auch andere Kunden) empfängt.

Wenn ich zum vereinbarten Zeitpunkt bei ihr bin, dann begrüßen wir uns zunächst mit Küssen und anderen Zärtlichkeiten.

Irgendwann haben wir uns unserer Kleidung entledigt und gehen zusammen unter die Dusche.

Danach verwöhnen wir uns gegenseitig, bis es schließlich zum eigentlichen Akt (selbstverständlich geschützt) kommt.

Nachdem wir uns etwas erholt haben, unterhalten wir uns länger, wobei das Thema stark davon abhängt, was sie oder mich gerade beschäftigt und wo der Gesprächsfaden uns dann hinführt.

Manchmal gibt es noch eine zweite Runde.

Am Ende wird geduscht, wieder angezogen, das Geld auf die Kommode gelegt und ich verabschiede mich, mit beiderseitigen besten Wünschen und der Hoffnung auf baldige Wiederholung.

Gibt es ein besonders schönes Erlebnis, das du als Kunde von Sexarbeiterinnen gemacht hast, das du mit uns teilen möchtest?

Es gab in den 30 Jahren sehr viele schöne Erlebnisse. Oft war der Sex einfach gut.

Oft gab es aber auch Zeichen einer besonderen Nähe oder Vertrautheit, an die ich mich gerne erinnere.

Einige Beispiele:

– Ich kenne eine Frau von zwei verschiedenen Etablissements, wo sie unter unterschiedlichen Namen arbeitete. Auf meine Frage, wie ich sie nennen solle, meint sie, ich könne auch ihren wirklichen Namen benutzen (und da ich sie später auch in ihrem privaten Umfeld getroffen habe, weiß ich, dass ich dann auch ihren richtigen Namen erfahren habe).

– Eine Frau hat eigentlich schon aufgehört, kehrt aber für einen Tag zurück, um eine teure Anschaffung für ein Hobby zu finanzieren. Offenbar verwöhne ich sie so gut, dass sie meint, eigentlich müsse sie jetzt zahlen (wir sind doch beim ursprünglich Vereinbarten geblieben).

– Eine Frau macht mich darauf aufmerksam, dass wir uns schon seit über 10 Jahren kennen („länger als die meisten Beziehungen halten“)

– Nach dem Sex beginnen wir ein Gespräch über Gott und die Welt, und stellen irgendwann fest, dass wir die vereinbarte Zeit um mehr als eine Stunde überzogen haben.

Ich könnte die Liste noch lange fortsetzen und entschuldige mich bei den Frauen, denen ich andere schöne Erlebnisse verdanke, die ich hier nicht erwähnt habe.

Inwiefern hat Sexarbeit dein Leben auch über die rein sexuellen Erlebnisse hinaus bereichert?

Ich habe durch den Pay-Sex viele verschiedene Frauen kennen gelernt. In den meisten Fällen blieb es bei der kurzen „geschäftlichen“ Begegnung. Es gibt aber auch etliche Fälle, wo ich für mich interessante Menschen kennen gelernt habe, was mein Leben sehr bereichert hat.

Im Arbeitsleben wie auch bei meinen Hobbies habe ich es überwiegend mit Männern zu tun. Ich finde es bereichernd, auf diesem Weg auch viele Frauen näher kennen gelernt zu haben.

Nicht nur Sexarbeiter*innen, sondern auch deren Kund*innen werden in unserer Gesellschaft häufig stigmatisiert. Wie gehst du damit um? Gibt es Menschen in deinem Umfeld, die wissen, dass du sexuelle Dienstleistungen in Anspruch nimmst? Wie fiel deren Reaktion aus? Hast du selbst stigmatisierende Erfahrungen gemacht?

In meinem persönlichen Umfeld weiß niemand, dass ich sexuelle Dienstleistungen in Anspruch nehme. Vermutlich werden einige ahnen, dass ich nicht mein ganzes Leben zölibatär verbringe. Thematisiert wird das aber nicht.

Ich würde aber auch dann ungern mit meinem Umfeld über mein Intimleben sprechen, wenn sich dies in weniger stigmatisierten Bahnen bewegen würde. Vermutlich bin ich einfach zu verklemmt.

Weiß dein(e) Lebensgefährt*in, dass du sexuelle Dienstleistungen in Anspruch nimmst? Wie geht ihr in eurer Partnerschaft mit diesem Thema um?

Ich bin Single und will das eigentlich auch nicht ändern.

In der Politik wird aktuell über die Einführung eines Sexkaufverbots nach Vorbild des Nordischen Modells diskutiert. Was würde das für dich bedeuten? Warum engagierst du dich in der „Initiative Kundschaft pro Sexarbeit“ gegen die Einführung eines solchen Modells?

Für mich würde das wohl bedeuten, dass ich in Deutschland keine Möglichkeit mehr hätte, mein Bedürfnis nach Sex, Intimität und Zärtlichkeit legal zu erfüllen.

Ob ich mit der einen oder anderen Sexarbeiterin, die ich schon lange kenne, trotzdem eine, dann verbotene, Verbindung aufrecht halten würde, weiß ich nicht.

Ebenfalls weiß ich nicht, ob es dann die Möglichkeit gäbe, gelegentlich im benachbarten Ausland nach Ersatz zu suchen. Das wäre aber nicht nur aufwändiger, sondern sicher auch deutlich weniger attraktiv.

Mein Engagement rührt natürlich in erster Linie aus meiner eigenen Betroffenheit.

Ich halte mich für einen reflektierten Menschen, der sein eigenes Verhalten durchaus kritisch hinterfragt.

Ich sehe auch nach gründlicher Selbstreflexion keinen Grund, warum die Tatsache, dass ich für Sex bezahle, verwerflich oder gar strafbar sein sollte.

Es ist Spekulation, wie mein Leben verlaufen wäre, wenn es schon vor 30 Jahren ein Sexkaufverbot gegeben hätte. Ich halte es aber für wahrscheinlich, dass es wesentlich unglücklicher gewesen wäre. Da ich vermute, dass es auch heute solche jungen Menschen gibt, möchte ich mich auch für deren Rechte einzusetzen.

Die Befürworter eines Sexkaufverbotes entwürdigen die Anbieter von sexuellen Dienstleistungen, denen sie pauschal die Fähigkeit absprechen, eigenständig über ihr Leben zu entscheiden. Sie entwürdigen die Kunden von sexuellen Dienstleistungen, indem sie ihnen pauschal niedere Beweggründe unterstellen. Sie maßen sich an, auf der Basis unbelegter Behauptungen, die sexuelle Selbstbestimmung von Anbietern und Kunden sexueller Dienstleistungen aushebeln zu wollen.

Über meine persönliche Betroffenheit hinaus fände ich es einen Schlag gegen eine freie Gesellschaft, wenn sie Erfolg hätten.

Einige Menschen betrachten Sexarbeit als grundsätzlich moralisch verwerflich und befürworten deshalb die Einführung eines Sexkaufverbots. Was würdest du diesen Menschen erwidern?

Ich würde zunächst verstehen wollen, welche Beweggründe diese Menschen haben. Falls sie tatsächlich Sex gegen Geld für moralisch verwerflich halten, so würde ich ihnen antworten, dass sich in unserer Gesellschaft der Grundsatz durchgesetzt hat, dass jeder mündige Erwachsene selbst entscheiden darf, mit wem er unter welchen Bedingungen Sex haben möchte. Außenstehende haben das nicht zu bewerten und schon gar nicht zu bestrafen.

Deshalb sind inzwischen Ehebruch und gleichgeschlechtlicher Sex nicht mehr verboten, ein Zwang zur Erfüllung der ehelichen Pflichten besteht dagegen nicht (das war alles auch mal anders).

Wenn diese Menschen argumentieren, dass Sexarbeit nie freiwillig geschieht (das ist meines Wissens das Haupt-Narrativ der Verfechter des Sexkaufverbots), so würde ich sie nach den wissenschaftlichen Belegen dafür fragen.

Ich habe in den letzten 30 Jahren viele Frauen in der Sexarbeit kennen gelernt. In den meisten Fällen hatte ich nicht genug Einblick, um wirklich zu entscheiden, welche Beweggründe sie dahin geführt haben. Wirtschaftliche Zwänge oder allgemeiner der Wunsch nach einer Verbesserung der als trostlos empfundenen wirtschaftlichen Situation haben sicher oft eine Rolle gespielt. Das gilt aber auch für andere Formen der Erwerbsarbeit.

In vielen Fällen konnte ich aber die Sexarbeiterinnen gut genug kennen lernen, dass ich illegalen Zwang ausschließen kann. Die Legende vom allseits vorherrschenden Zwang widerspricht also meinen eigenen Erfahrungen.

Man kann sich dieser Legende auch anders nähern: Zwangsprostitution ist natürlich auch jetzt strafbar. Würde fast jede Prostituierte unter Zwang arbeiten, so gäbe es eine große Zahl von Opfern schwerer Straftaten, die von der Polizei auch leicht zu ermitteln wären. Dass von diesen Opfern fast keines seine Peiniger bestraft wissen will und dass es der Polizei nicht gelingt, z. B. durch Gewährung von Zeugenschutz, einige von ihnen zur Aussage zu bewegen, halte ich für völlig unplausibel.

Die Zahl der Verurteilungen wegen Zwangsprostitution und Menschenhandel sind meines Wissens klein und gehen in den letzten Jahren zurück. Man muss unsere Polizei schon für sehr unfähig halten, wenn man ihr nicht zutraut, eine größere Zahl solch schwerer Straftaten, die ja angeblich praktisch vor ihrer Nase stattfinden, aufzuklären.

Das Argumentationsmuster: Ich kann eine Straftat nicht beweisen, also muss ich den Straftatbestand ausweiten, verträgt sich nicht mit meiner Vorstellung von einer freien Gesellschaft.

Wie könnte aus deiner Sicht von politischer Seite sichergestellt werden, dass auch in Zukunft sowohl Sexarbeiter*innen als auch deren Kunden einvernehmlich sexuelle Dienstleistungen anbieten bzw. wahrnehmen dürfen und trotzdem effektiv gegen Zwang und Gewalt in der Sexarbeit vorgegangen werden kann?

Ich bin kein Kriminologe und vermag das nicht wirklich zu beurteilen, zumal ich auch nicht weiß, wie groß das Problem ist. Ich halte zwar die Zahl der von den Prostitutionsgegnern geschätzten Fällen von Zwang (abenteuerliche 95% oder ähnliches) für völlig überzogen. Aber unzweifelhaft gibt es solche Fälle. Doch wie hoch ihre Zahl ist, vermag ich nicht zu sagen.

Prostitution hat sehr viele Facetten und ich kenne nur einen kleinen Teil davon.

Der BesD, den ich als kompetent wahrnehme, setzt sich für eine Abschaffung aller diskriminierenden gesetzlichen Regeln für Sexarbeiter*innen ein. Inwieweit dies eine effektivere Bekämpfung von verbrecherischen Strukturen unterstützt, entzieht sich meiner Beurteilung.

Dass Prohibition hier nicht der richtige Weg ist, erscheint mir allerdings ziemlich sicher. Das belegen sowohl wissenschaftliche Untersuchungen als auch historische Erfahrungen.

Hast du selbst schon einmal schwierige Situationen als Kunde von Sexarbeiterinnen erlebt? Wie bist du damit umgegangen?

In den 30 Jahren habe ich auch einige unangenehme Erfahrung gemacht. In einigen Fällen war „Abzocke“ wohl die richtige Beschreibung für das Verhalten der Sexarbeiterin. Einige wenige Male habe ich sogar abgebrochen. Das eingesetzte Geld habe ich als allgemeines Lebensrisiko abgeschrieben.

Mir sind zwei Fälle in Erinnerung, in denen mir der Eindruck kam, dass eine Sexarbeiterin ihren Job sehr ungern machte. Ob dabei Zwang im Spiel war, ob sie die Herausforderungen des Berufs unterschätzt hatte, ob sie nur einen schlechten Tag hatte oder ob ich irgendwas an mir hatte, das sie abstieß, vermag ich nicht zu sagen.

Das war natürlich sehr unangenehm. In einem Fall waren zum Glück zwei Frauen anwesend. Ich habe mich dann auf die andere konzentriert.

Der andere Fall liegt schon mehr als 25 Jahre zurück, so dass ich ihn aus der Erinnerung nicht mehr rekonstruieren kann. Ich habe jedenfalls das entsprechende Haus nicht mehr besucht.

Wie müsste sich die gesellschaftliche Debatte verändern, damit Stigmatisierung und Diskriminierung für alle Beteiligten in der Sexarbeit zukünftig abgebaut werden kann?

Gerade viele Frauen unter den Prostitutionsgegnern scheinen mir aus der Tatsache, dass für sie Sex gegen Geld nicht in Frage kommt, zu schließen, dass das auch für alle anderen gilt.

Bei den Kunden wird wohl angenommen, dass das Idealbild der monogamen, treuen, dauerhaften Beziehung für alle das richtige Lebensmodell ist, dem die Kunden sich gefälligst zu unterwerfen haben.

Ich würde mir wünschen, dass gesellschaftlicher Konsens wird (bzw. bleibt), dass verschiedene Menschen sehr unterschiedlich mit ihrer Sexualität umgehen und dass das ihr gutes Recht ist (natürlich immer unter der selbstverständlichen Bedingung, dass niemand gegen seinen Willen daran teilhat).

Wichtig wäre in meinen Augen auch, dass die Debatte nicht auf Basis von ideologischer Voreingenommenheit und unseriösen oder sogar gefälschten Beweisen geführt wird. Wer sich anmaßt, andere moralisch zu verurteilen oder gar strafrechtlich zu verfolgen, der sollte nicht mit „Studien“ argumentieren, deren Methodik einem selbst bei einer Studienarbeit im Bachelor-Studium um die Ohren gehauen würde.

Ebenfalls sollten persönliche Herabwürdigungen und Versuche, die Gegenseite mundtot zu machen, keinen Platz in der Debatte haben (ich beziehe mich hier z. B. auf den Schmähpreis der Emma gegen Sascha Lobo).

Weiterhin sollte berücksichtigt werden, dass Sexarbeit in sehr unterschiedlichen Formen praktiziert wird, die entsprechend auch unterschiedlich zu behandeln sind. Gerade Prostitutionsgegner beziehen sich gerne auf die Verhältnisse auf dem Straßenstrich, der in Wirklichkeit nur einen sehr kleinen Teil des Geschehens in der Sexarbeit ausmacht, leiten daraus aber Forderungen für den ganzen Bereich ab.

Wer ernsthaft daran interessiert ist, Sexarbeiter*innen zu helfen, der sollte das Gespräch mit ihnen suchen, anstatt sie pauschal für fremdbestimmt zu erklären und damit zu entmündigen.

Auch die Medien könnten zu einer Versachlichung der Debatte beitragen. Leider gibt es da oft einseitige oder schlecht recherchierte Darstellungen bis hin zu Fälschungen (ich erinnere an den Skandal um „Lovemobil“).

In Filmen werden Freier vorzugsweise entweder als gewissenlose Machos oder aber als lächerliche Kasper dargestellt. Auch hieran könnte man arbeiten.

Welche Frage haben wir dir noch nicht gestellt, die du gerne beantworten würdest?

Ich könnte mich vielleicht noch zu meinen Freier-„Kollegen“ äußern.

Nach dem Narrativ der Prostitutionsgegner (z. B. ihrer Vorkämpferin Huschke Mau) ist das allesamt menschlicher Abschaum, dessen Motivation einzig ist, Frauen zu demütigen.

Das ist natürlich genauso Unsinn wie jedes andere pauschale Urteil über eine große Gruppe von Menschen.

Die sind nie alle gleich und handeln auch nie alle aus der gleichen Motivation.

Eigentlich habe ich kein großes Interesse an meinen Mit-Freiern.

Trotzdem erlebe ich sie, wenn ich z. B. einen FKK-Club besuche, wenn ich in meinem einen Freier-Forum (zum Glück moderiert) lese, wenn mir gelegentlich Sexarbeiterinnen über andere Gäste erzählen und nun auch über die Initiative.

Nach meiner Beobachtung sind dort sehr unterschiedliche Charaktere unterwegs. Und in der Tat sind dabei (außer bei unserer Initiative, die sicher eine positive Auslese ist) immer welche dabei, die bei mir Fremdscham auslösen.

Es gibt aber auch ganz andere: Solche wie mich, die sonst möglicherweise keinen Zugang zu Sex hätten. Andere leben in einer Beziehung, in der es keinen oder keinen befriedigenden Sex mehr gibt. Zum Beispiel, weil die Frau ihn aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr haben kann oder weil ihr über die Jahre die Lust abhanden gekommen ist.

Die wollen aber ihre Partnerschaft weiterführen und trotzdem nicht völlig auf Sex verzichten.

Insgesamt gibt es unter den Kollegen solche die mir sympathisch sind und andere, die es gar nicht sind. Aber auch die letzteren sind zum allergrößten Teil keine Kriminellen.