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Hallo, stell dich doch bitte kurz vor!

Ich heiße Wolfgang P. und bin Anfang 70. Am liebsten lasse ich mich von unabhängigen Hobbyprostituierten zu Hause oder in meinem Hotelzimmer besuchen. In Bordelle gehe ich sehr selten, dann schon eher in Salons für erotische Massagen. Ich habe auch schon zwei wunderbare Tantramassagen genossen. Mit einer erotischen Massage vor ca. 12 Jahren fing alles an.

Was sind deine Beweggründe, sexuelle Dienstleistungen in Anspruch zu nehmen? Welchen Stellenwert hat Sexarbeit für dich in deiner aktuellen Lebenssituation?

Ursprünglich standen Abwechslung, Neugierde und Abenteuerlust im Vordergrund. Inzwischen sind andere Aspekte hinzugekommen, die oft noch wichtiger sind.

Ich stehe auf junge Damen um die 30, hübsches Gesicht, zierliche Figur. Es ist wohl klar, dass ich solche Damen nicht über Tinder finden kann. Nur Geld kann eine Frau motivieren, sich auf einen Mann einzulassen, der theoretisch ihr Vater oder gar Großvater sein könnte.

Es gibt zwei Gründe für meine Vorliebe: erstens ist es ein Genuss für die Augen, einen wohlgeformten Frauenkörper nackt zu sehen und es ist ein Genuss für die Hände, jugendliche, straffe Haut zu streicheln und mit Ölmassagen zu verwöhnen. Zweitens ist es eine große Genugtuung für mich, wenn es mir gelingt, die junge Dame so zu behandeln, dass sie sich mit mir wohl fühlt, der Altersunterschied weggezaubert wird und sie unsere Begegnung genauso genießt wie ich. Wenn wir uns leidenschaftlich küssen fühle ich mich in einen 30-jährigen Mann verwandelt. Das ist eine Auszeit aus meiner ganzen Lebenssituation, die mir nur eine Dame in diesem Alter bescheren kann.

Der große Altersunterschied verhindert übrigens zuverlässig, dass bei einem Treffen echte Gefühle entstehen, das hat mir sogar mal eine junge Dame bestätigt.

Welche Erwartungen und/oder Befürchtungen hattest du vor deinem ersten Besuch bei einer/m Sexarbeiter*in? Welche sind in Erfüllung gegangen, welche nicht?

Lange Zeit verband ich mit Sexarbeit die typische Prostituierte im Rotlichtbezirk, die im Minirock und in High Heels am Straßenrand nach Kunden sucht und jeden Mann anredet: „Na Süßer, wie wäre es denn mal mit uns beiden?“ Es hat lange gedauert, bis ich gelernt hatte, dass es unglaublich viele Sexarbeiterinnen gibt, die überhaupt nicht in dieses Klischee passen.

Was ist dir wichtig bei der Entscheidung für eine(n) Sexarbeiter*in?

Ich stehe auf die typische „Nachbarin von nebenan“. Ein hübsches, möglichst wenig geschminktes Gesicht, ganz normal unauffällig angezogen ohne Dessous und dergleichen. Wobei dies alles bei Massagen weit weniger wichtig ist.

Welche Tips hättest du selbst gerne vor deinem ersten Besuch bei einer/m Sexarbeiter*in bekommen? Was hat dich überrascht?

Bei meiner ersten bezahlten Begegnung wünschte sich die junge Dame gewisse manuelle Handlungen von mir, auf die ich selbst im Leben nie gekommen wäre und ich war völlig verblüfft darüber, wie sehr sie dies genoss. Dadurch lernte ich, dass Bezahltwerden und Genuss sich keineswegs gegenseitig ausschließen.

Wie läuft ein Treffen mit einer/m Sexarbeiter*in bei dir typischerweise ab?

Hin und wieder besucht mich eine junge Dame zu Hause, die in der Nähe eine duale Ausbildung im Bereich der Chemie macht und hin und wieder etwas mit diskreten Hausbesuchen hinzuverdient. Auf sie treffen so ziemlich alle oben genannten Kriterien zu. Deshalb betrachte ich unsere Treffen nicht wirklich als Arbeit, sondern als ein großes Wellness-Programm auf Gegenseitigkeit, das inzwischen jedes Mal zwei Stunden dauert. Wir beginnen mit etwas Smalltalk, den wir in der Badewanne bei einem gemeinsamen Schaumbad fortsetzen. Dann wechseln wir ins Bett, wo wir die meiste Zeit mit Kuscheln, Streicheln, Küssen und gegenseitigen Ölmassagen genießen. Natürlich haben wir auch Sex, aber relativ kurze Zeit.

Gibt es ein besonders schönes Erlebnis, das du als Kunde von Sexarbeiter*innen gemacht hast, das du mit uns teilen möchtest?

Das schönste sind Überraschungen und diese sind sehr selten, weil eigentlich alles vor dem Treffen abgesprochen wird. Eins meiner schönsten Treffen endete mit einer solchen Überraschung. Eine junge Russin hatte mit mir volle 20 Stunden verbracht. Am nächsten Morgen brachte ich sie zum Bahnhof. In dem Fahrstuhl nach oben zu den Fernzügen waren wir allein. Da packte sie plötzlich meinen Kopf mit beiden Händen und überraschte mich mit einem langen, tiefen Zungenkuss. Nie vorher und bisher auch nie wieder bin ich so verabschiedet worden!

Inwiefern hat Sexarbeit dein Leben auch über die rein sexuellen Erlebnisse hinaus bereichert?

Die eben genannte Russin pflegte ein außergewöhnliches Hobby. Es faszinierte mich ungeheuer, sodass ich ebenfalls damit begann. Später entdeckte ich auf Facebook viele Gleichgesinnte. Daraus sind einige schöne Freundschaften entstanden, die überhaupt nichts mit Sexarbeit zu tun haben. Und niemand ahnt, auf welche Weise ich zu diesem Hobby gekommen bin.

Nicht nur Sexarbeiter*innen, sondern auch deren Kund*innen werden in unserer Gesellschaft häufig stigmatisiert. Wie gehst du damit um? Gibt es Menschen in deinem Umfeld, die wissen, dass du sexuelle Dienstleistungen in Anspruch nimmst? Wie fiel deren Reaktion aus? Hast du selbst stigmatisierende Erfahrungen gemacht?

Niemand weiß etwas davon, außer mein Bruder, der selbst sexuelle Dienstleistungen kauft. Ansonsten rechne ich mit völliger Verständnislosigkeit. Ich habe mich mal auf Facebook positiv zu Prostitution ausgesprochen, das hat mich gleich zwei Freundschaften gekostet. Seitdem äußere ich mich nicht mehr öffentlich dazu.


In der Politik wird aktuell über die Einführung eines Sexkaufverbots nach Vorbild des Nordischen Modells diskutiert. Was würde das für dich bedeuten?

Einerseits bin ich sicher, dass die junge Dame mich auch unter einem Sexkaufverbot weiterhin besuchen wird. Ich sehe auch überhaupt keinen Grund, sie zu boykottieren und ihr mein gutes Geld vorzuenthalten. Andererseits dürfte es dann kaum mehr möglich sein, eine junge Dame zu finden, die mich in meinem Hotelzimmer besucht, wenn ich auf Reisen bin.

Warum engagierst du dich in der „Initiative Kundschaft pro Sexarbeit“ gegen die Einführung eines solchen Modells?

Gerade weil ich mich überwiegend mit Hobbyprostituierten treffe, bin ich der Überzeugung, dass der Anteil von Zwangsprostituierten unter allen Prostituierten ganz erheblich niedriger ist, als die Sexkaufgegner*innen immer behaupten. Ein Sexkaufverbot wäre somit eine völlig überzogene Maßnahme, die für relativ wenige Sexarbeiter*innen positiv und für die meisten negativ wäre.

Einige Menschen betrachten Sexarbeit als grundsätzlich moralisch verwerflich und befürworten deshalb die Einführung eines Sexkaufverbots. Was würdest du diesen Menschen erwidern?

Moral ist eine individuelle Sache, die jeder Mensch für sich selbst zu entscheiden hat. Anderen Menschen eine Moral aufzuzwingen hat schon bei der Alkoholprohibition in den USA nicht funktioniert. Ich wette: kein Sexkaufgegner würde sich von einem Hindu vorschreiben lassen, dass er aus moralischen Gründen auf Rindfleisch zu verzichten hat.

Grundsätzlich hat jede Frau das Recht, ihren Konsens zu Geschlechtsverkehr als verkäuflich zu betrachten und einen für sie angemessenen Preis festzulegen. Wenn dann ein Kunde dieses Angebot annimmt, geht das sonst keinen anderen Mensch etwas an.

Wie könnte aus deiner Sicht von politischer Seite sichergestellt werden, dass auch in Zukunft sowohl Sexarbeiter*innen als auch deren Kunden einvernehmlich sexuelle Dienstleistungen anbieten bzw. wahrnehmen dürfen und trotzdem effektiv gegen Zwang und Gewalt in der Sexarbeit vorgegangen werden kann?

Gerade in letzter Zeit liest man immer wieder von Razzien und Verhaftungen im Zusammenhang mit illegaler Sexarbeit. Das zeigt, dass die Polizei durchaus Mittel und Wege hat und keineswegs so hilflos ist, wie Sexkaufgegner*innen immer behaupten. Diese Mittel sollten aufgestockt werden.

Es muss verstärkt aufgeklärt werden, bis auch dem letzten Politiker klar geworden ist, dass die Sexkaufgegner*innen mit Polemik und falschen Zahlen agieren sowie mit Statistiken, die nicht repräsentativ sind und immer nur einen winzigen Ausschnitt des gesamten Prostitutionsgeschehens beleuchten.

Hast du selbst schon einmal schwierige Situationen als Kunde von Sexarbeiter*innen erlebt? Wie bist du damit umgegangen?

Es ist hin und wieder vorgekommen, dass sich eine junge Dame völlig desinteressiert zeigte. Ich schob das immer auf den Altersunterschied und versuchte, durch rücksichtsvolles, liebevolles und respektvolles Verhalten die Barrieren zwischen uns zu beseitigen. Einmal bemerkte ich bei einem Besuch meinerseits im Hotelzimmer der jungen Dame, dass mir dies überhaupt nicht gelang, da bin ich nach der Hälfte der Zeit wieder weggegangen, ohne Geld zurückzuverlangen.

Wie müsste sich die gesellschaftliche Debatte verändern, damit Stigmatisierung und Diskriminierung für alle Beteiligten in der Sexarbeit zukünftig abgebaut werden kann?

Dies halte ich für völlig unmöglich, da der ganze private Sektor im Verborgenen stattfindet und die Beteiligten wollen verborgen bleiben. So manche Eltern haben keine Ahnung, auf welche Weise ihre Tochter ihr neues I-Phone finanziert hat. Dieser Tochter ist eine potenzielle Stigmatisierung gleichgültig, weil sowieso niemand wissen darf, was sie tut.

Eine gesellschaftliche Debatte zu verändern ist sehr schwierig. Darüber müsste man mit Influencer*innen und Werbefachleuten sprechen.

Welche Frage haben wir dir noch nicht gestellt, die du gerne beantworten würdest?

Was hältst du von Verrichtungsboxen?

Dieses Thema wird von Sexkaufgegner*innen völlig überbewertet, weil sich dort nur ein winziger Bruchteil des Prostitutionsgeschehens abspielt. Man darf auch nicht vergessen, dass sie auf Wunsch der dortigen Sexarbeiterinnen aufgestellt wurden.

Meine Welt ist das nicht. Das ist kein Ort, der meinen Vorstellungen über Wellness auf Gegenseitigkeit entspricht und ich vermute auch, dass die dort arbeitenden Damen sich auf so etwas gar nicht einlassen wollen oder können.

Hältst du Prostitution für ein Werkzeug patriarchalischer Machtausübung?

Ganz im Gegenteil. Prostitution existiert nicht, weil Männer Sex brauchen, sondern weil Menschen Geld verdienen wollen. Wenn eine junge hübsche Dame in der Lage ist, Stundenpreise von 300, 400 oder mehr Euro auf dem Markt durchzusetzen, und Männer haben nur die Wahl, ob sie diese Preise akzeptieren oder auf ein Treffen verzichten, dann sind es eindeutig die Frauen, die hier ihre Macht ausüben.