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Ich wollte aktuell keine Beziehung. Tinder klingt gut, aber bereits beim Chatten zeigt sich ziemlich schnell, dass eigentlich immer der Wunsch nach einer Beziehung mitspielt. Ich bin nicht so der Mensch, der mit den Gefühlen anderer Menschen spielen will. Respekt und Wertschätzung sind mir sehr wichtig.

Vielleicht doch gleich zu einer “Professionellen”? Hier fand ich ja sehr wohl Blogeinträge von Frauen. Aber die aufgerufenen Preise schreckten mich ehrlich gesagt schon auch ab.

Auf der anderen Seite habe ich all die Zeitungsberichte und Dokumentationen im Kopf, Menschenhändler, Zuhälter, gebrochene, drogensüchtige Frauen.

Ich begann im Internet zu recherchieren, Studien und Berichte ergaben ein komplett gegensätzliches Bild. Ich beschloss, und vielleicht war es auch nur eine billige Ausrede, mir selbst ein Bild zu machen. Beim kleinsten Anzeichen von Zwang oder einem Zuhälter, so nahm ich mir vor, würde ich sofort gehen.

Im Internet fand ich die Website eines Etablissements, die Frauen auf den Bildern sahen unnatürlich schön aus, stilvolle Bilder. In mir weiter ein stetiger Kampf.

Irgendwann habe ich dann all meinen Mut zusammengenommen und bin hingefahren. Eine hoher weißer Holzzaun, eine Tür, ein kleines Schild, Zutritt ab 18. Dahinter ein Bungalow, ein Schaukasten mit Bildern, die ich schon im Internet gesehen hatte, die Gesichter nun aber klar zu sehen.

Drei Klingeln an der Tür. Drei Namen.

Ich drückte, und fast sofort öffnete eine splitterfasernackte, wunderschöne Frau die Tür. Sie war noch außer Atem, meinte, sie hätte gerade einen Gast gehabt und müsse noch duschen und wieder alles herrichten – ob das ein Problem sei? In meinem Kopf hatte ich immer noch all die Vorurteile über das Gewerbe, doch hier lachte mich eine so unkomplizierte, sehr sehr gut gelaunte Frau an. Irgendetwas muss ich wohl gestottert haben, denn sie bat mich in das Haus.

Völlig neu, wenn einem eine nackte Frau erklärt, dass ich bitte sofort die Schuhe ausziehen soll, sie und ihre Kolleginnen achten hier sehr auf Sauberkeit! Während ich duschte, machte sie sich wieder frisch.

“Wie lang magst du?” fragte sie mich. Ehrlich gesagt habe ich nun, mit einigem Abstand, kaum noch Erinnerungen, doch ich durfte eine Frau erleben, die sehr aktiv war und eine wunderbar entspannte Art hatte. Sicherlich hat sie, wie ich nun rückblickend denke, ein Standardprogramm gefahren, sicherlich hatte sie aber auch ein gewisses Amüsement an meiner erkennbaren Aufregung und Unerfahrenheit. Auf gar keinen Fall wollte ich irgendetwas tun, was ihr unangenehm sein könnte.

Für mich damals auch völlig neu, wie Sie klar und deutlich kommunizierte, wie sehr ihr die ein oder andere Praktik gefällt, “mach ruhig weiter da, ich mag es, wenn du das tust”, und die ganze Zeit war es herrlich entspannt und fröhlich.

Im Anschluss nahm sie ihr Telefon, meinte, dass ich zukünftig besser einen Termin ausmachen solle, sie würde sich freuen, jetzt habe sie aber riesigen Hunger und würde sich mit ihren Freundinnen zum Burger essen treffen. Ich bekam das Bild nun gar nicht mehr zusammen, dieser Körper, durchtrainiert und trotzdem so fraulich und erotisch – und Burger.

Ich habe in den darauf folgenden Monaten immer wieder Frauen besucht, einige reden gerne über ihr Leben, die Gründe für ihre Berufswahl. Eine sagte sehr klar: „Mein echtes Leben geht dich nichts an.”

Keine hatte ein leichtes Schicksal, aber alle eint eine schwer zu beschreibende Unabhängigkeit. Diese Frauen lassen sich von keinem Mann auf der Welt etwas sagen. Sie sind stolz und unabhängig.

Sie sagen aber auch, dass nicht jede diesen Beruf machen kann. Sie erzählen von Bekannten, die angelockt von den Verdienstmöglichkeiten in diese Welt eintauchen wollen, aber schnell merken, dass ihnen Berührungen unangenehm sind.

Das ist kein Bericht über besonders privilegierte Frauen, sie wollen wohl einfach nur in Ruhe arbeiten und ihre Ziele erreichen. Mal sprechen sie Deutsch, oft nur (sehr gutes) Englisch. Es würde sich lohnen, ihre Geschichten zu erzählen, die Mutter dreier Kinder, die alles dafür tut, damit ihre Kinder ihr Studium nicht so wie sie abbrechen müssen. Die Ärztin, die das nötige Kapital für ihre Privatklinik erarbeitet, da sie sich nicht abhängig von Banken machen möchte. Die kranken Eltern zuhause, das Haus am Meer … Wenn man sich ein wenig hinein denkt, so versteht man ihren Wunsch nach Anonymität, ihr Schweigen über die Reden in Talkshows.

Natürlich wollen alle, wenn sie ihre Ziele erreicht haben, aufhören, maximal noch zum Vergnügen mit ihren liebsten Stammgästen arbeiten. So sehr unterscheidet sich das nicht von meinen Berufszielen.