Die Studie „Associations between sex work laws and sex workers’ health: A systematic review and meta-analysis of quantitative and qualitative studies“ von Lucy Platt et al. analysiert die Auswirkungen von Gesetzgebung und Polizeipraktiken auf die Sicherheit, Gesundheit und den Zugang zu Dienstleistungen für Sexarbeiterinnen und Sexarbeiter. Die Autoren führen eine umfassende systematische Überprüfung und Metaanalyse durch, um den Zusammenhang zwischen repressiven Sexarbeitsgesetzen und gesundheitlichen sowie sozialen Konsequenzen für die Betroffenen zu untersuchen.
Hintergrund der Studie
Sexarbeiterinnen und Sexarbeiter sind einem überproportional hohen Risiko für Gewalt, sexuell übertragbare Infektionen (STIs) und emotionale sowie physische Gesundheitsprobleme ausgesetzt. Diese Risiken werden oft durch gesetzliche Restriktionen und polizeiliche Repressionen verstärkt. Die Studie untersucht, wie verschiedene gesetzliche Rahmenbedingungen – einschließlich vollständiger Kriminalisierung, teilweiser Kriminalisierung, Regulierung und Entkriminalisierung – die Arbeitsbedingungen, den Schutz und die gesundheitliche Versorgung von Sexarbeiterinnen beeinflussen.
Methodik der Studie
Die Autoren führten eine umfangreiche Literaturanalyse durch und werteten sowohl quantitative als auch qualitative Studien aus, die zwischen Januar 1990 und Mai 2018 veröffentlicht wurden. Sie berücksichtigten Studien aus verschiedenen Ländern und analysierten polizeiliche Repressionsmaßnahmen wie Verhaftungen, körperliche Gewalt, Erpressung und sexuelle Gewalt gegen Sexarbeiterinnen. Die Metaanalyse untersuchte die Auswirkungen repressiver Polizeipraktiken auf das Risiko von Gewalt, HIV/STI-Infektionen und unsicherem Sex. Die qualitativen Studien wurden thematisch ausgewertet, um die Mechanismen und Pfade zu verstehen, durch die sich gesetzliche Maßnahmen auf die Betroffenen auswirken.
Ergebnisse der Studie
Die Metaanalyse umfasst 40 quantitative und 94 qualitative Studien und zeigt einen klaren Zusammenhang zwischen repressiven Gesetzen und negativen gesundheitlichen Folgen für Sexarbeiterinnen.
Erhöhtes Risiko für Gewalt:
Repressive Polizeipraktiken sind mit einem erhöhten Risiko für sexuelle oder körperliche Gewalt durch Kunden oder andere Täter verbunden. Die Metaanalyse zeigt, dass Sexarbeiterinnen, die polizeilicher Repression ausgesetzt sind, eine um das Dreifache erhöhte Wahrscheinlichkeit haben, Gewalt zu erfahren (Odds Ratio 2,99).
Qualitative Analysen zeigen, dass Gewalt nicht nur von Kunden, sondern auch von der Polizei selbst ausgeht, in Form von Verhaftungen, Erpressung und sexuellen Übergriffen.
Höhere HIV/STI-Raten:
Das Risiko einer HIV/STI-Infektion ist bei Sexarbeiterinnen, die repressiven Polizeimaßnahmen ausgesetzt sind, signifikant höher (Odds Ratio 1,87). Ein besonders hohes Risiko besteht für diejenigen, denen Kondome oder Spritzen von der Polizei abgenommen wurden.
Durch die Angst vor Verhaftung vermeiden viele Sexarbeiterinnen das Mitführen von Kondomen, was die Infektionsraten weiter erhöht.
Negative Auswirkungen auf Verhandlungs- und Schutzstrategien:
In Ländern mit repressiver Gesetzgebung sind Sexarbeiterinnen gezwungen, an abgelegenen und gefährlichen Orten zu arbeiten, wodurch sie weniger Zugang zu Unterstützungsnetzwerken und Gesundheitsdiensten haben.
Die Kriminalisierung zwingt Sexarbeiterinnen oft dazu, sich mit Kunden weniger Zeit für Verhandlungen über sichere Praktiken zu nehmen, was das Risiko für unsicheren Sex erhöht.
Fehlender Zugang zu Gesundheit und Justiz:
Sexarbeiterinnen, die Angst vor Polizeigewalt oder Verhaftung haben, vermeiden den Kontakt mit Gesundheits- und Sozialdiensten.
Es gibt zahlreiche Berichte über Verweigerung von Schutz und Gerechtigkeit durch Strafverfolgungsbehörden. In repressiven Systemen ist es für Sexarbeiterinnen schwieriger, Gewalt oder Missbrauch bei der Polizei zu melden.
Vergleich verschiedener Gesetzgebungsmodelle
Die Studie betrachtet verschiedene gesetzliche Modelle und deren Auswirkungen:
Vollständige Kriminalisierung (z. B. USA, Südafrika): Alle Aspekte der Sexarbeit sind verboten, was zu erhöhter Polizeigewalt, Unsicherheit und schlechter Gesundheitsversorgung führt.
Teilweise Kriminalisierung (z. B. Kanada vor 2014, Großbritannien): Einzelne Aspekte der Sexarbeit sind legal, andere nicht. Dies führt dazu, dass Sexarbeiterinnen oft in einer rechtlichen Grauzone operieren.
Kriminalisierung der Kunden (z. B. Schweden, Frankreich, Norwegen): Die Bestrafung von Freiern hat zu einem gefährlicheren Arbeitsumfeld für Sexarbeiterinnen geführt, da Kunden diskreter agieren und schneller Verhandlungen treffen wollen.
Regulierung (z. B. Deutschland, Niederlande): Sexarbeit ist legal, aber an bestimmte Bedingungen wie Zonenregelungen oder Zwangsregistrierungen geknüpft. Diese Systeme schaffen zwar gewisse Schutzmechanismen, schließen aber oft Migrantinnen oder Transsexuelle aus.
Entkriminalisierung (z. B. Neuseeland): Vollständige Entkriminalisierung hat in Neuseeland zu besseren Arbeitsbedingungen, niedrigeren HIV-Raten und besserem Zugang zu Gesundheitsdiensten geführt.
Schlussfolgerungen und Empfehlungen
Die Ergebnisse der Studie unterstreichen die erheblichen negativen Auswirkungen repressiver Sexarbeitsgesetze. Die Autorinnen fordern eine Reform der Sexarbeitsgesetze hin zu einem Modell der vollständigen Entkriminalisierung. Empfohlen werden:
Aufhebung repressiver Gesetze: Die Kriminalisierung von Sexarbeit und die damit verbundene Polizeigewalt müssen beendet werden.
Rechtliche Anerkennung und Schutz: Sexarbeit sollte als Arbeit anerkannt werden, um den Zugang zu Gesundheitsdiensten, Schutzmaßnahmen und Arbeitsrechten zu verbessern.
Schulung und Reform der Polizei: Polizei und Justiz sollten darin geschult werden, Menschenrechte von Sexarbeiterinnen zu respektieren.
Bessere Gesundheitsversorgung: Der Zugang zu HIV-Prävention, STI-Tests und psychologischer Unterstützung sollte verbessert werden.
Beteiligung von Sexarbeiterinnen an politischen Prozessen: Gesetze sollten in Zusammenarbeit mit den Betroffenen entwickelt werden, um ihre Sicherheit und Rechte zu gewährleisten.
Fazit
Die Studie zeigt, dass die Kriminalisierung und Regulierung von Sexarbeit oft mehr Schaden als Nutzen bringt. In repressiven Systemen sind Sexarbeiterinnen einem höheren Risiko für Gewalt, HIV/STIs und soziale Ausgrenzung ausgesetzt. Die vollständige Entkriminalisierung, wie sie in Neuseeland umgesetzt wurde, bietet hingegen nachweislich bessere Bedingungen für die Gesundheit und Sicherheit von Sexarbeiterinnen. Die Autoren fordern daher eine evidenzbasierte Gesetzgebung, die die Rechte und das Wohlbefinden von Sexarbeiterinnen schützt.
Der Volltext der Studie (englisch) findet sich hier.